AI-Shoring – Next-Level-Outsourcing?

Wenn es bisher um IT-Outsourcing ging, sprach man von Nearshoring und Offshoring. Inzwischen bahnt sich ein neuer Begriff seinen Weg: AI-Shoring. Dieses bisher nur theoretische Konzept bezieht sich auf die Ergänzung von Teams durch Künstliche Intelligenzen (KIs; englisch: Artificial Intelligence, AI), die einzelne Aufgaben oder sogar komplette Projektrollen übernehmen können. AI-Shoring kombiniert die Vorteile von Nearshoring und Offshoring mit den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz und eröffnet damit völlig neue Perspektiven für Unternehmen weltweit.

Die Evolution des Shorings

Um AI-Shoring zu verstehen, müssen wir zuerst einen Blick auf die beiden etablierten Modelle des Shorings werfen: Nearshoring und Offshoring.

Nearshoring bezeichnet die Auslagerung von Geschäftsprozessen oder Dienstleistungen an externe Partner in geografisch nahen Ländern oder Regionen. Dies ermöglicht eine enge Zusammenarbeit durch kulturelle Ähnlichkeiten bei gleichzeitig geringeren Kosten im Vergleich zum Inland.

Offshoring hingegen meint die Auslagerung von Aufgaben an externe Partner in entfernten geografischen Regionen, ebenfalls mit dem Ziel, Kosten zu senken. Hierbei ist der Culture Clash jedoch oft größer und es ergeben sich weitere Herausforderungen, wie zum Beispiel die Zeitverschiebung.

AI-Shoring: Die Synthese aus Mensch und Maschine?

Die rasante Entwicklung im Bereich Künstlicher Intelligenz, zuletzt durch den Boom von Large Language Models (LLMs) wie zum Beispiel in Form von ChatGPT, ermöglicht neue Szenarien. AI-Shoring geht diesen Schritt konsequent weiter und integriert künstliche Intelligenz nahtlos in externe Teams.

Wenn ein Unternehmen ein Softwareprojekt umsetzen will und nicht genügend Inhouse-Kapazitäten zur Verfügung hat, läuft es bisher so: Es wird eine Ausschreibung gestartet, welche mangels idealer Vergleichbarkeit in der Regel nach dem günstigsten Tagessatz entschieden wird. Dienstleister sind also gezwungen, sich mit Near- oder Offshoring-Partnern zusammenzutun, wenn sie nicht zum Selbstkostenpreis anbieten wollen. Die teils signifikant erhöhten Abstimmungsaufwände und zusätzlichen Risiken dieser Konstellation finden in der rein monetären Betrachtung des Einkaufs keine Beachtung.

Anstatt menschliche Ressourcen zu rekrutieren, könnten Unternehmen jetzt auf AI-Shoring zurückgreifen und spezialisierte KI-Agenten einsetzen, die einzelne Aufgaben übernehmen oder (in naher Zukunft) ganze Rollen ausfüllen können.

Technische Umsetzung von AI-Shoring

Die technische Umsetzung von AI-Shoring basiert auf der Verwendung von Agenten, der Verknüpfung mehrerer Large Language Modelle (LLMs) und der Interaktion zwischen spezialisierten Bots. Agenten sind eigenständige Programme, die Aufgaben im Auftrag des Benutzers ausführen können. Durch die Verknüpfung mehrerer LLMs können KIs komplexe Aufgaben verstehen und ausführen. Die Interaktion zwischen spezialisierten Bots ermöglicht eine effiziente Zusammenarbeit und Aufgabenteilung innerhalb des Teams. Microsoft zeigt mit seinem AutoGen Framework bereits einen Lösungsansatz. Camel AI ist eine Open Source Python Library, die aus einem Paper der King Abdullah University of Science and Technology hervorgegangen ist.

Vorteile und Herausforderungen

Die Vorteile von AI-Shoring liegen auf der Hand: geringere Kosten wie beim Nearshoring oder Offshoring, bei gleichzeitig ständiger Verfügbarkeit ohne Probleme mit Zeitverschiebungen und praktisch ohne Sprachbarrieren. Darüber hinaus ermöglicht AI-Shoring eine hohe Skalierbarkeit und Flexibilität in der Teamzusammensetzung.

Jedoch bringt AI-Shoring auch Herausforderungen mit sich. Die Integration von KIs in bestehende Teams mag dabei noch das geringste Problem sein, da sich Entwickler:innen bereits jetzt mit verschiedenen KI-Tools, wie Github Copilot, Cody oder Tabnine beschäftigen. Abzuwarten bleibt sicherlich, wie aufwändig die kontinuierliche Weiterentwicklung und Anpassung der KI-Systeme sein wird. Nur wenn dieser Ansatz einfach skaliert, wird er sich durchsetzen.

Die größte Herausforderung wird aber die Sicherstellung der Daten- und Informationssicherheit sein. Ein AI-Developer wird keine Sicherheitsbelehrung des Auftraggebers unterzeichnen können. Auch ob ein Bot Zugriff auf Kundensysteme für die Arbeit an „seinen Stories“ bekommt, ist fraglich. Erfahrungsgemäß ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Probleme entweder gelöst oder wir von der Realität (in anderen Ländern) überholt werden.

Schließlich ist die Frage, ob Auftraggeber bereit sein werden, für ein künstliches Teammitglied einen (reduzierten) Tagessatz zu bezahlen.

Aclue mit ersten Piloten

Aclue ist bereits intensiv damit beschäftigt, die Möglichkeiten von AI-Shoring zu erforschen und umzusetzen. Wir sind fest davon überzeugt, dass AI-Shoring eher früher als später ein breites Thema sein wird. Daher investieren wir intensiv in die Entwicklung moderner KI-Agenten und die Integration dieser Technologie in unsere Dienstleistungen. Unsere Vision ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, die volle Bandbreite der Möglichkeiten von AI-Shoring auszuschöpfen und so ihre Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz zu steigern.

Mit AI-Shoring eröffnen sich neue Horizonte für die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in der IT-Welt. Die Integration von KIs in Teams verspricht nicht nur Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen, sondern auch eine spannende Reise in die Zukunft der Arbeit.